[juF-nds] Flüchtlingsrat fordert höhere Leistungen für alleinstehende Erwachsene in GUs

Dörthe Hinz - Flüchtlingsrat Nds. dh at nds-fluerat.org
Mi Feb 3 08:26:40 CET 2021


        Sozialämter in Niedersachsen sollten grundsätzlich
        alleinstehenden Erwachsenen in Gemeinschaftsunterkünften
        Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 gewähren!


        Das niedersächsische Innenministerium muss
        Gerichtsentscheidungen und Corona-Pandemie endlich zur Kenntnis
        nehmen und ggf. Landkreise und kreisfreie Städte anweisen.


        Der Werra-Meißner-Kreis in Hessen macht verfassungskonforme
        Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetz vor und bewilligt
        grundsätzlich die um 10% höheren Leistungen.



Seit am 1. September 2019 die Änderungen im AsylbLG in Kraft getreten 
sind, erhalten alleinstehende Erwachsene in Gemeinschaftsunterkünften 
nur noch Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 2, wie dies für Ehepaare 
oder Lebenspartner_innen vorgesehen ist. Das sind 10% weniger also vor 
der Gesetzesänderung. Die Kürzungen hat der Gesetzgeber damit begründet, 
dass die alleinstehenden Erwachsenen in einer Gemeinschaftsunterkunft 
mit anderen alleinstehenden Erwachsenen gewissermaßen wie eine Familie 
zusammen wirtschaften könnten und damit ein Einspareffekt erzielt würde 
(siehe dazu auch die Infos auf unserer Webseite 
<https://www.nds-fluerat.org/41374/aktuelles/leistungsbescheide-oft-fehlerhaft-oder-verfassungswidrig-widerspruch-einlegen-und-ggf-eilantrag-und-klage-einreichen/>). 


Bereits mehrere Sozialgerichte sowie das Landessozialgericht 
Niedersachsen-Bremen hatten in ihren Entscheidungen Zweifel daran 
erkennen lassen, dass die Einstufung von alleinstehenden Erwachsenen, 
die in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, in die Regelbedarfsstufe 2 
verfassungskonform ist. Am 05.01.2021 hat in einem von Rechtsanwalt Sven 
Adam aus Göttingen erstrittenen Urteil das Sozialgericht Marburg 
festgestellt, dass erstens die Leistungen nach AsylbLG in den Jahren 
2018 und 2019 auch ohne Vorgabe durch die Bundesregierung 
fortzuschreiben, also zu erhöhen waren und zweitens für alleinstehende 
Erwachsene Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren sind.
Nach Überzeugung des SG Marburg „liegt kein plausibler Beleg für die 
Annahme vor, dass in Gemeinschaftsunterkünften lebende Personen 
grundsätzlich gemeinsam wirtschaften wie Partner einer 
Bedarfsgemeinschaft“.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung und der Tatsache, dass die 
Corona-Pandemie noch weit weniger als ohnehin ein gemeinsames 
Wirtschaften, das Einspareffekte erzeugen könnte, ermöglicht, hat nach 
Informationen von Rechtsanwalt Adam der Werra-Meißner-Kreis nun 
konsequenter und vernünftiger Weise beschlossen, allen alleinstehenden 
Erwachsenen in Gemeinschaftsunterkünften, die Leistungen nach dem 
AsylbLG beziehen, vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021 Leistungen nach der 
Regelbedarfsstufe 1 zu zahlen.

Die Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen sollten diesem 
Beispiel folgen. Angesichts der mittlerweile zahlreichen 
Gerichtsentscheidungen, die die Eingruppierung alleinstehender 
Erwachsener in die Regelbedarfsstufe 2 für nicht verfassungskonform 
halten sowie der zusätzlichen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, 
wäre es angebracht, die Praxis in den Sozialämter zu ändern und nun von 
Amts wegen grundsätzlich und nicht nur im Einzelfall Leistungen nach der 
Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.

In sofern geht der Erlass des niedersächsischen Innenministeriums vom 
14.01.2021, der ausdrücklich eine Einzelfallüberprüfung verlangt, nicht 
weit genug. Nach Ansicht des Flüchtlingsrates sollte das 
Innenministerium klar stellen, dass grundsätzlich Leistungen auf Basis 
der Regelbedarfsstufe 1 zu bewilligen sind, weil ein gemeinsames 
Wirtschaften alleinstehender Erwachsener in Gemeinschaftsunterkünften - 
umso mehr unter den Bedingungen der Corona-Pandemie und den damit 
verbundenen Schutzmaßnahmen - nicht möglich ist.

Der Flüchtlingsrat empfiehlt daher alleinstehenden Erwachsenen, die 
Leistungen nach dem AsylbLG (sowohl nach § 2 als auch nach § 3 AsylbLG) 
lediglich in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 erhalten, Widerspruch 
einzulegen, die Überprüfung der bisherigen Leistungen (gem. § 44 SGB X) 
zu beantragen und ggf. Eilantrag und bei Ablehnung des Widerspruchs 
Klage einreichen sollten.
Es sollte sich dabei auf die oben angeführte Rechtsprechung berufen 
werden, also v.a.

SG Landshut 
<https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2019/11/SG-Landshut-Asylsuchende-in-GU-keine-Bedarfsgemeinschaft-24-10-2019.pdf>

SG Hannover 
<https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2019/12/SG-Hannover-Beschluss-Alleinstehende-20-12-2019.pdf>

LSG Niedersachsen-Bremen 
<http://azf3.de/wp-content/uploads/2019/12/LSG-Nds-HB-1a-evtl-verfassungswidrig-1_04-12-2019.pdf>

SG Marburg 
<https://anwaltskanzlei-adam.de/2021/01/05/sozialgericht-marburg-urteil-vom-31-12-2020-az-s-9-ay-1-20/>


Weitere Hinweise zum Rechtsweg bei zu niedrigen Leistungen inklusive 
Musterargumentation dazu finden sich auf unserer Webseite hier:

https://www.nds-fluerat.org/41374/aktuelles/leistungsbescheide-oft-fehlerhaft-oder-verfassungswidrig-widerspruch-einlegen-und-ggf-eilantrag-und-klage-einreichen/ 
<https://www.nds-fluerat.org/41374/aktuelles/leistungsbescheide-oft-fehlerhaft-oder-verfassungswidrig-widerspruch-einlegen-und-ggf-eilantrag-und-klage-einreichen/>



-- 
Freundliche Grüße
Sigmar Walbrecht

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