[juF-nds] Musterklage für syrische Kriegsdienstverweigerer

Dörthe Hinz dh at nds-fluerat.org
Mo Apr 19 11:33:20 CEST 2021


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Peter von Auer  (PRO ASYL) hat dankenswerterweise einen 
Musterklageschriftsatz (Anlage) für syrische Kriegsdienstverweigerer 
formuliert, die gegen eine Ablehnung ihres Folgeantrags Rechtsmittel 
einlegen wollen. Er verweist darauf, dass in bestimmten 
Fallkonstellationen dennoch auch ein Anwalt / eine Anwältin hinzugezogen 
werden sollte:

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Liebe KollegInnen,

das BAMF ist nicht bereit, syrischen Kriegsdienstverweigerern, die - 
gestützt auf die Entscheidung des EuGH vom 19.11.2020 in der Rechtssache 
EZ (C-238/19) 
<https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2020-11/cp200142de.pdf> 
- Asylfolgeanträge gestellt haben, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die zahlreichen betroffenen Asylfolgeanträge - laut BAMF derzeit ca. 
17.000 - werden sämtlich als unzulässig abgelehnt. Denn das BAMF geht 
davon aus, dass die EuGH-Entscheidung keine Änderung der Rechtslage 
i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG sei, derer es zur Zulässigkeit eines 
Asylfolgeverfahrens bedarf. Dies hatte das BAMF bereits in seinem 
Entscheiderbrief 4/2020 
<https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Entscheiderbrief/2020/entscheiderbrief-12-2020.html?nn=283288> 
(S. 4) angekündigt.

Es ist zu befürchten, dass sich die Meinung des BAMF durchsetzen wird. 
Denn dass Gerichtsentscheidungen - auch solche des EuGH - keine Änderung 
der Rechtslage darstellen, ist - jedenfalls bislang - herrschende 
Meinung. Der VGH Baden-Württemberg hat bereits in einem Beschluss vom 
22.12.2020 <https://www.asyl.net/rsdb/m29155/> zu erkennen gegeben, dass 
er dieser Ansicht auch im Hinblick auf syrische Asylfolgeantragsteller, 
die sich auf die Entscheidung EZ stützen, weiter folgt.

Allerdings gibt es auch die entgegenstehende Auffassung 
<https://verfassungsblog.de/am-schutz-orientiert/>, dass Entscheidungen 
des EuGH sehr wohl eine Änderung der Rechtslage darstellen und so auf 
der Grundlage des EuGH-Urteils in der Rechtssache EZ Asylfolgeverfahren 
möglich und erfolgversprechend sind.

Jenen, die versuchen möchten, die - gestützt auf diese Auffassung - die 
Durchführung eines Asylfolgeverfahrens vor Gericht zu erstreiten, geben 
wir den im Anhang befindlichen Musterklageschriftsatz an die Hand.

*Achtung:*

Nicht in allen Konstellationen ist eine Klagebegründung alleine mit 
beiliegendem Musterklageschriftsatz ratsam, sondern sollte - mit 
Unterstützung eines Anwalts oder einer Anwältin - eine eigene 
Klagebegründung erstellt werden.

In manchen Fällen mögen sich etwa Asylfolgeanträge bzw. diese 
betreffende Klagen nicht nur auf die EuGH-Entscheidung E.Z. stützen, 
sondern auch auf eine Änderung der Sachlage.

Beispiel: ein Asylfolgeantragsteller ist als Minderjähriger, der noch 
nicht der Wehrpflicht unterlag, nach Deutschland gekommen. Da zum 
damaligen Zeitpunkt noch nicht wegen Verweigerung des Militärdienstes 
eine Strafverfolgung bzw. Bestrafung drohte, konnte ihm nicht aus den in 
der Entscheidung EZ behandelten Gründen die Flüchtlingseigenschaft 
zuerkannt werden. Unterliegt der Betreffende zwischenzeitlich aber der 
Wehrpflicht und will er aus politischen Gründen den Wehrdienst 
verweigern, liegt eine neue Sachlage vor, die - unabhängig von der 
Entscheidung EZ - eine Asylfolgeantragstellung rechtfertigt.

Jedenfalls in einem solchen Fall ist die Verwendung des 
Musterklageschriftsatzes alleine nicht ausreichend und sollte - mit 
Hilfe eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin - eine eigenständige 
Klagebegründung erfolgen.

Beste Grüße,

Peter von Auer

-- 
Peter von Auer, Ass.jur.
Rechtspolitischer Referent / Legal Policy Advisor
PRO ASYL
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