[juF-nds] 16.04.2020/ EU-Kommission: Aussetzung der Dublin-Überstellungsfristen wg. Corona-Pandemie rechtswidrig!

Büchner - Flüchtlingsrat Thüringen buechner at fluechtlingsrat-thr.de
Di Apr 21 12:07:12 CEST 2020


*Feststellung der EU-Kommission zur Aussetzung der 
Dublin-Überstellungsfristen (Stand 16.04.2020)*

Die EU-Kommission stellt in ihrer Kommunikation zu Covid-19 und der 
Asylpolitik 
<https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/guidance-implementation-eu-provisions-asylum-retur-procedures-resettlement.pdf> fest, 
dass eine Aussetzung der Überstellungsfristen aufgrund einer Pandemie 
keine Rechtsgrundlage in der Dublin-III-Verordnung hat. Darin heißt es: 
/"Where a transfer to the responsible Member State is not carried out 
within the applicable time limit, responsibility shifts to the Member 
State that requested the transfer pursuant to Article 29(2) of the 
Dublin Regulation. No provision of the Regulation allows to derogate 
from this rule in a situation such as the one resulting from the 
COVID-19 pandemic."/

Dementsprechend müssen laut Kommission die Fristen weiterlaufen und die 
Verantwortung nach Fristablauf auf den Mitgliedstaat übergehen, in dem 
sich die Person aktuell aufhält. (Quelle Pro Asyl 
<https://www.proasyl.de/pressemitteilung/eu-kommission-aussetzung-von-dublin-fristen-nicht-europarechtskonform/>)

***

Pro Asyl /17.04.2020

*EU-Kommission: Aussetzung von Dublin-Fristen nicht europarechtskonform!*

*EU-Kommission stützt PRO ASYL Position, dass die vom BAMF eingeführte 
Aussetzung der Dublin-Überstellungsfrist während der Corona-Pandemie 
rechtswidrig ist. Das Bundesinneministerium muss nun dafür sorgen, dass 
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diese neue Praxis einstellt.*

Am 18. März 2020 beschloss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 
(BAMF), aufgrund der Corona-Pandemie keine Dublin-Überstellungen mehr 
durchzuführen. Um einen Verantwortungsübergang auf Deutschland aufgrund 
von Fristablauf während der Corona-Krise zu verhindern, hat das BAMF 
zudem eine Aussetzung der Überstellungsfristen veranlasst.

Dieses Vorgehen wurde in einem Schreiben des BAMF 
<https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Bamf-Schreiben_Unterbrechung-%C3%9Cberstellungsfrist_geschw%C3%A4rzt-1.pdf> 
an alle Personen im Dublin-Verfahren angekündigt. Für die Betroffenen 
hätte eine Aussetzung harsche Konsequenzen: Die reguläre 
Überstellungsfrist von sechs Monaten sollte erneut anfangen zu laufen – 
selbst, wenn sie eigentlich schon mehrere Monate der Frist hinter sich 
hatten. Während dieser Zeit haben sie noch keinen Zugang zu einem 
inhaltlichen Asylverfahren und befinden sich in einem zermürbenden 
Schwebezustand.

PRO ASYL hat dieses Vorgehen deshalb schon vergangene Woche kritisiert 
und eine Klagewelle prognostiziert (siehe News vom 8. April 
<https://www.proasyl.de/news/aussetzung-der-dublin-fristen-erst-chaos-dann-klagewelle/>). 
In einer juristischen Analyse 
<https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/PRO-ASYL_ERBB_Praxishinweise-Aussetzung-Dublin_08.04.2020_korr.pdf> 
hat PRO ASYL gemeinsam mit Equal Rights Beyond Borders zudem die 
Rechtmäßigkeit der Aussetzung der Fristen angezweifelt, insbesondere 
weil die Dublin-III-Verordnung eine solche Aussetzung nicht vorsieht und 
sie dem der Verordnung zugrundliegende Beschleunigungsgebot 
widersprechen würde.

Diese Rechtsauffassung wurde nun von der EU-Kommission in ihrer 
Kommunikation zu Covid-19 und der Asylpolitik 
<https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/guidance-implementation-eu-provisions-asylum-retur-procedures-resettlement.pdf> 
bestätigt. Die Kommission legt in dem Dokument dar, dass eine Aussetzung 
der Überstellungsfristen aufgrund einer Pandemie keine Rechtsgrundlage 
in der Dublin-Verordnung hat. Entsprechend müssen die Fristen 
weiterlaufen und die Verantwortung nach Fristablauf auf den 
Mitgliedstaat übergehen, in dem sich die Person aktuell aufhält:

/Where a transfer to the responsible Member State is not carried out 
within the applicable time limit, responsibility shifts to the Member 
State that requested the transfer pursuant to Article 29(2) of the 
Dublin Regulation. No provision of the Regulation allows to derogate 
from this rule in a situation such as the one resulting from the 
COVID-19 pandemic /(S. 9 der Kommunikation)/. /

Im Falle der Verfristung bei Familienzusammenführung kann die humanitäre 
Klausel der Dublin-Verordnung genutzt werden, um eine dauerhafte 
Familientrennung zu verhindern.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss seine aktuelle Praxis 
der Aussetzung der Dublin-Fristen sofort unterbinden! Alles andere wäre 
eine klare Missachtung europäischen Rechts und widerspräche zudem einem 
gemeinsamen Vorgehen der EU-Staaten während der Corona-Krise. Das 
Vorgehen des Bundesamtes hat bereits Schaden angerichtet, indem es 
betroffenen Menschen – die kurz vor Ablauf ihrer Frist standen – die 
ihnen zustehende Rechtssicherheit nehmen wollte und sie sowie ihre 
Unterstützer*innen stark verunsicherte. Dieser Kurs muss jetzt revidiert 
werden und die Betroffenen darüber auch informiert werden.

-- 
Antje-C. Büchner

Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
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